Dr. Andrea Sengebusch
"Ein guter Wissenschaftler sucht nicht nach den richtigen Antworten, sondern nach den richtigen Fragen."
Eine Würdigung der Forschung, die Leute zum Lachen bringt und dann zum Nachdenken.
Oder: Warum erforschen Wissenschafter pinkelnde Säugetiere?
Der Ig-Nobelpreis.
Die meisten kennen wahrscheinlich die Nobelpreise. Sie werden jedes Jahr im Oktober für Medizin/Physiologie, Physik, Chemie, Literatur und Wirtschaft in Stockholm verliehen. Hinzu kommt der Friedensnobelpreis, der in Oslo verliehen wird.
Manche kennen vielleicht auch den „Alternativen Nobelpreis“, der offiziell Right Livelihood Award heißt, wörtlich ein Preis für die rechte Lebensgrundlage. Diese Auszeichnung wird an Menschen und Organisationen verliehen, die sich für die Gestaltung einer besseren Welt einsetzen.
Und dann gibt es da noch die Ig-Nobelpreise. Das Ig ist kein eigenständiges Wort oder eine Abkürzung, sondern ein Verweis auf ein englisches Wortspiel: Im Englischen spricht man Nobel Prize genauso wie noble prize, also der edle Preis. Dem gegenüber steht nun der ignoble prize bzw. der Ig Nobel Prize. Die Übersetzung unedler oder unehrenhafter Preis ist dabei mit einem Augenzwinkern zu sehen. Die Ig-Nobel Preise werden für Forschungsarbeiten vergeben, die Leute erst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen. Sie werden jeden September auf einer großen Feier in Harvard verliehen. Ein exzentrisches und hochamüsantes Spektakel, in dem meist „richtige“ Nobelpreisträger die Preise überreichen.
Naturwissenschaftliche Forschung unter „Beteiligung“ von Tieren wurde schon mehrfach mit Ig-Nobelpreisen ausgezeichnet. In folgendem Ig-Memory gilt es, für die beteiligten Tiere die verwendeten Versuchsaufbauten oder die erzielten Forschungsergebnisse zu finden.
Weiter unten findest Du eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ig-Nobelpreise für Viehsik der letzten Jahre.
2020 | Physik | Ivan Maksymov, Andrey Pototsky | Ein Regenwurm wurde auf eine vibrierende Platte gelegt (f = 40 Hz). Durch nicht-lineare Effekte der Fluid-Dynamik bildeten sich Körperwellen bei der halben Frequenz aus (f = 20 Hz). |
2020 | Akustik | Stephan Reber, Takeshi Nishimura, Judith Janisch, Mark Robertson, Tecumseh Fitch | Ein Alligator musste in mit Helium angereicherter Luft brüllen. Die Töne wurden höher. Dies zeigt, dass die Resonanzräume im Kopf das Brüllen maßgeblich beeinflussen und daraus Rückschlüsse auf die Körpergöße gezogen werden können. |
2019 | Biologie | Ling-Jun Kong, Herbert Crepaz, Agnieszka Górecka, Aleksandra Urbanek, Rainer Dumke, Tomasz Paterek | Kakerlaken wurden in einem starken Magnetfeld magnetisiert. Sind sie am Leben, entmagnetisieren sie innerhalb von 50 plusminus 28 min. Sind sie tot, bleibt die Magnetisierung mehrere Tage bestehen. |
2019 | Physik | Patricia Yang, Alexander Lee, Miles Chan, Alynn Martin, Ashley Edwards, Scott Carver, David Hu | Ein Wombat kackt Würfel mit etwa 2 cm Kantenlänge. Dies liegt an der unterschiedlichen Elastizität der Darmwand. Die Würfelflächen bilden sich an den festeren, die Ecken an den weicheren Stellen der Darmwand. Nur wenn die Elastizität ringsum konstant ist, bilden sich Zylinder. |
2017 | Physik | Marc-Antoine Fardin | Katzen werden als aktives rheologisches Material beschrieben, also als eine Substanz, die ihr Verformung- und Fließverhalten selbstständig verändert. Im Rahmen der Strömungsmechanik wird gezeigt, dass Katzen sich als Festkörper, Flüssigkeiten und Gase betrachten lassen. |
2016 | Physik | Gábor Horváth, Miklós Blahó, György Kriska, Ramón Hegedüs, Balázs Gerics, Róbert Farkas, Susanne Åkesson, Péter Malik, and Hansruedi Wildermuth | Bremsen werden von weißen Pferden weniger angezogen als von dunklen Pferden. Bremsen lassen sich von linear polarisiertem Licht leiten. Das von weißem Fell reflektierte Sonnenlicht ist weniger polarisiert und damit für die Insekten schlechter zu erkennen. Libellen werden von polierten schwarzen Grabsteinen angezogen, da diese bei Reflexion von Sonnenlicht stark horizontal-polarisiertes Licht erzeugen. Da Wasseroberflächen ähnliche Eigenschaften haben, halten die Libellen breite, flache Grabsteine fälschlicherweise für einen guten Ort zum Leben. |
2016 | Fortpflanzung | Ahmed Shafik | Ratten trugen ein Jahr lang Hosen aus Polyester, Polyester-Baumwoll-Mix, Baumwolle oder Wolle. Nach 0, 6, 12 und 18 Monaten wurde ihre sexuelle Aktivität untersucht. Die Polyester-Gruppen zeigten deutlich weniger Aktivität. Ein halbes Jahr später war wieder alles normal. |
2015 | Biologie | Bruno Grossi, Omar Larach, Mauricio Canals, Rodrigo A. Vásquez, José Iriarte-Díaz | Hühner wurden mit einer künstlichen Verlängerung des Hinterleibs aufgezogen. Durch den so verschobenen Schwerpunkt liefen die Vögel wie die längst ausgestorbenen Dinosaurier (eher aus der Hüfte als aus den Knien). |
2015 | Physik | Patricia Yang, David Hu, and Jonathan Pham, Jerome Choo | Mittels High-Speed-Aufnahmen und Messungen der Flussrate konnte gezeigt werden, dass die Dauer des Pinkelns bei Säugetieren nicht von der Körpergröße abhängt. Nahezu alle Säugetiere über 3 kg benötigen zum vollständigen Entleeren der Blase 21 plusminus 13 Sekunden. |
2014 | Biologie | Vlastimil Hart, Petra Nováková, Erich Pascal Malkemper, Sabine Begall, Vladimír Hanzal, Miloš Ježek, Tomáš Kušta, Veronika Němcová, Jana Adámková, Kateřina Benediktová, Jaroslav Červený and Hynek Burda | Die Forscher beobachteten innerhalb von zwei Jahren insgesamt 70 Hunde aus 37 Rassen 5.582 Mal beim Pinkeln und 1.893 Mal beim Kacken. Sie verglichen die Ausrichtung der Körperachsen mit tagesaktuellen Magnetogrammen und konnten feststellen, dass die Hunde in dieser Situation eine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung und ein wenig schwankendes Magnetfeld bevorzugen. |
2013 | Wahrschein-lichkeit | Bert Tolkamp, Marie Haskell, Fritha Langford, David Roberts, and Colin Morgan | Die Forschungsarbeit begann mit zwei Hypothesen: 1. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kühe aufstehen, wächst mit der Zeit, die die Tiere bereits liegen. 2. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kühe hinlegen, wächst mit der Zeit, die die Tiere bereits stehen. Ca. 60.000 Messungen an 73 Kühen konnten die erste These belegen und die zweite These widerlegen. |
2013 | Astronomie | Marie Dacke, Emily Baird, Marcus Byrne, Clarke Scholtz, and Eric J. Warrant | Die Forscher zeigen, dass sich außer Menschen, Vögeln und Robben auch Mistkäfer an den Sternen orientieren. Die Käfer rollen ihre Mistkugel bei klarem, mondlosem Nachthimmel in einer geraden Linie vom Misthaufen weg und verlieren diese Fähigkeit, sobald sich der Himmel bedeckt. |
Quellen:
Die offizielle Seite der Nobelpreise[https://www.nobelprize.org/].
Die offizielle Seite des Right Livelihood Award[ https://www.rightlivelihoodaward.org/].
Die offizielle Seite der Ig Nobelpreise[https://www.improbable.com/ig-about/].
Alle Bilder der Versuchsaufbauten oder Forschungsergebnisse stammen, wenn nicht anders ausgewiesen, aus den Originalveröffentlichungen, die im Folgenden angegeben sind.